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Fabio de Masi ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Seit 2017 ist er stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Bundestag.

© Georg Ismar/Tagesspiegel

Fabio de Masi im Podcast „Eine Runde Bundestag“: Die Zweifel an der Ehrlichkeit von Olaf Scholz

Fabio de Masi hat seit Monaten vielen Fragen an Olaf Scholz. Die Fälle Wirecard und Warburg zeigen für ihn aber auch, wie die Politik weltweit hinterherhinkt.

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Fabio de Masi gilt als der Abgeordnete mit dem besten Espresso im Bundestag. Die italienischen Wurzeln halt. In seinem Büro ist Papst Franziskus ebenso präsent wie Muhamed Ali und das Gemälde einer Parlamentsschlägerei.

Der 41-Jährige führt mit Vorliebe verbale Duelle mit Olaf Scholz und dessen Staatssekretär Wolfgang Schmidt – weil er weiter Ungereimtheiten beim Warburg-Bank- Skandal in Hamburg sieht. De Masi nimmt Scholz einige Erinnerungslücken nicht ab und will ihn trotz der möglichen Option einer rot-rot-grünen Bundesregierung nicht schonen.

Die Corona-Zeit hat auch das Verhältnis zwischen Medien und Politik verändert. Früher traf man sich sich in Abgeordnetenbüros zum Austausch. In der Corona-Zeit wurde daraus der Spaziergang im Parlamentsviertel an der frischen Luft: eine Runde um den Bundestag. Vor der Bundestagswahl greifen wir dieses Phänomen auf, in der zweiten Podcast-Folge (Produktion: Markus Lücker) treffen wir den über Parteigrenzen hinweg geschätzten Linken-Finanzpolitiker Fabio de Masi, der sich bei allem Stress immer eine gewisse Lässigkeit zu bewahren versucht.

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Scholz und die Erinnerungslücken

Es ist ein sonniger Tag in Berlin, de Masi ist mit seinem alten roten Rennrad der Marke „Raymond Poulidor“ gekommen, benannt nach der französischen Radlegende. Er ist es, der Scholz wegen des Warburg-Falls piesackt wie kein Zweiter. De Masi kommt selbst aus Hamburg und ist da gut vernetzt. Scholz legte als Erster Bürgermeister großen Wert auf gute Beziehungen mit der örtlichen Wirtschaft. Die traditionsreiche Warburg- Bank hatte sich dank der Cum-Ex-Tricksereien Steuern in Höhe von rund 47 Millionen Euro zu Unrecht erstatten lassen. In Scholz’ Regierungszeit drohte dies zu verjähren, das Bundesfinanzministerium mahnte die Rückforderung an - am Ende floss das Geld zurück.

Scholz hatte sich zwei Mal mit dem Warburg-Bankier Christian Olearius getroffen. Es geht um die Frage, ob es eine politische Einflussnahme auf die Finanzverwaltung gegeben hat, das Geld nicht zurückzufordern. Scholz bestreitet das, kann sich aber eigenen Aussagen zufolge nicht an den Inhalt der Gespräche erinnern.

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Fabio de Masi im Regierungsviertel - er kommt gerne mit seinem Rad.
Fabio de Masi im Regierungsviertel - er kommt gerne mit seinem Rad.

© Georg Ismar/Tagesspiegel

„Das finde ich sehr wenig glaubwürdig“, sagt de Masi beim Spaziergang. Er habe die Treffen erst in der dritten Vernehmung im Bundestag bestätigt. „Das glaubt kein Mensch, dass er erst bei der dritten Vernehmung in seinen Kalender guckt. Er wollte das nicht einräumen und irgendwann kam er nicht mehr raus aus der Nummer. Das ist eine Hypothek für seine Glaubwürdigkeit.“ Zumal Scholz sonst immer alles sehr genau weiß.

Die Scholz-Seite betont, dass zur Wahrheit gehöre, dass im entsprechenden Untersuchungsausschuss keinerlei Belege für eine politische Einflussnahme auf das Agieren der Finanzverwaltung gefunden wurden, die Zeugen hätten das unisono bestätigt.

In de Masis Büro steht auch ein Feldbett, im Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal ging es oft bis zum frühen Morgen. Hier ging es auch um Versäumnisse des nun von Scholz geführten Finanzministeriums und der ihm unterstellten Finanzaufsicht, die Kleinanlegern viel Geld kosteten. Oft fühlte sich de Masi als Einzelkämpfer, arbeitete sich bis zur Erschöpfung durch Akten, war in der Geheimschutzstelle des Bundestags Dauergast.

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Die Politik ist den Tricks der Finanzindustrie ausgeliefert

Er steigt aus diesem Hamsterrad jetzt aus, auch weil er mehr Zeit mit seinem Sohn verbringen will. Es gibt zunächst eine Auszeit in Südafrika, er hat Anfragen, für Bücher, Kolumnen und TV-Dokumentationen. Ihn gruselt es, dass auch große Datenkonzerne wie Apple und google in das Geldgeschäft einsteigen, vielleicht demnächst auch Kredite vergeben. Es gebe jetzt schon, etwa mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen unregulierte Bereiche im Finanzmarkt. Viele Konzerne wollten auch an die Daten der Ärmsten ran, „um zum Beispiel mit Algorithmen zu kalkulieren: Wie hoch ist die Lebenserwartung, wie ernähren die sich – und verkaufen das an Versicherungskonzerne.“

De Masi will nun auch Politiker anderer Länder beraten, denn wenn er eins gelernt hat: Die Politik hinkt fast immer hinterher, es fehlt an Expertise, die gewaltigen Umwälzungen, die Graubereiche und illegalen Aktivitäten im Finanzsektor zu verstehen. „Ich weiß noch nicht, ob ich damit am Ende meine Brötchen verdienen kann, aber ich will irgendwas machen im Dienste der Allgemeinheit.“

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"Die digitale Droge wird mit dem realen Leben verwechselt"

Dass er nun den Bundestag verlässt, hängt aber auch mit seiner Partei, der Linken, zusammen. „Unser Anspruch war ja immer, einfache Leute zu vertreten, die vielleicht nicht rund um die Uhr sich in irgendwelchen akademischen Debatten bewegen.“ Corona habe eine gewisse Bürgerferne verschärft. „So wie die Leute auf einmal Essen online bestellt haben, haben sich dann auch viele Debatten online verlagert. Das ist aber ein Problem, weil ich glaube, dass man eben immer nur einen bestimmten Ausschnitt aus der Bevölkerung damit erreicht.“

Es gebe zu viele, die „diese digitale Droge mit dem realen Leben verwechseln“. Kinder zum Beispiel müssten draußen sein, sich bewegen, lesen. Die Bildungsungleichheit habe sich nochmal verstärkt. Es geht jetzt vorbei am Kindergarten des Bundestags, ein wohlbehüteter Ort. Ausflugsschiffe fahren über die Spree.

Fabio de Masi verlässt im Herbst den Bundestag.
Fabio de Masi verlässt im Herbst den Bundestag.

© Georg Ismar/Tagespiegel

Was den Masi den Nachfolgern rät

De Masi teilt den Eindruck, dass die Politik zu oft in einer Blase lebt. Und während die einen aus dem Penthouse Yoga-Kurse online angeboten hätten, hätten Mütter und Kinder woanders auf 40 Quadratmetern mit einem prügelnden Ehemann gelebt. Sein Wunsch an seine Nachfolger im Bundestag: „Ich finde, alle müssen sich mal überlegen: Diskutieren wir eigentlich genug über die die eigentlichen Probleme?“

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